Freitag, 22. Oktober 2021

REM / New Adventures In Hi-Fi (25th Anniversary Edition)

REM: New Adventures in Hi-Fi (1996), Warner

Vor 25 Jahren erschien "New Adventures In Hi-Fi", das vielleicht letzte große Album von R.E.M., zumindest das letzte in Originalbesetzung. Denn Drummer Bill Berry verließ ein Jahr nach Veröffentlichung aus gesundheitlichen Gründen die alten Weggefährten. Der Tourneestress hatte seinen Tribut längst gezollt und auch wenn R.E.M. dadurch noch lange nicht am Ende ihres Weges waren, so stand man nach dieser Platte zumindest an einem Scheideweg. Viele der bis Mitte der neunziger Jahre so glänzenden Alternative-Bands schlugen längst andere Pfade ein, mitunter notgedrungen und nicht alle scheiterten mit so viel Grandezza wie die Smashing Pumpkins. Ihr bitterschönes "Adore" gilt gemeinhin als Zäsur der Bewegung. Aber auch R.E.M. trafen später mit "Up" neue Töne, weil sie ihren alten Drummer nicht durch ein neues Mitglied, sondern eine Drum-Machine ersetzten. Die dadurch folgende Neuorientierung gilt zwar als durchaus gelungen, weiterhin als große Band zu agieren, damit haderte man jedoch zusehends. "New Adventures In Hi-Fi" bleibt somit ihr gruppensolidarisches Vermächtnis. 

Von den mitunter starr und unbeholfen rockenden Monstern des Vorgängers blieben nur noch Ansätze übrig. Aber auch der schwelgenden Melancholie von "Automatic For The People", jener Platte, die R.E.M. 1992 in ganz neue Gefilde hob, erteilten sie eine Abfuhr. Für "New Adventures..." transzendierten sie alte Pfade und schufen ein Wechselspiel aus Melancholie und schrägtönender Schlichtheit. Diese Stimmung hätten sie eine Weile noch beibehalten dürfen, denn selten klangen die Mannen um Michael Stipe so berührend und gleichzeitig verwirrend wie in "E-Bow The Letter", dem herausragenden Duett mit Patti Smith, in dem sich Stipe schon so verklausuliert gab, dass man nur noch Ahnungen aufgreifen konnte; "look up, what do you see? All of you and all of me. Florescent and starry. Some of them, they surprise." Auch der elegante Opener "How The West Was Won..." oder das filigran-nuancierte "Electrolite" schlagen in diese Kerbe, während "Leave", böse polternd, ihr vielleicht bester Rocksong jener Jahre ist. In Ablehnung aller Erwartungen waren R.E.M. selten so konsequent und hinterließen damit Begeisterung und Ratlosigkeit gleichermaßen.
Rauschen Review 163

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