 |
ELEMENT OF CRIME: The Ballad Of Jimmy & Johnny (1989), Polydor
|
Der Wendepunkt in der Karriere dieser Band wird gemeinhin mit dem ersten deutschsprachigen Album "Damals Hinterm Mond" gesehen, jener Hinwendung zu verschroben-schöner Melancholie und Sven Regeners so feinsinnig-ironischer Lyrik. Das war 1991. Zuvor aber waren Element Of Crime bereits einige Jahre überaus aktiv und veröffentlichten in englischer Sprache wunderbar polternde Alben, von denen das unter der Produzentenriege von John Cale 1987 entstandene "Try To Be Mensch" besonders herausstach. "The Ballad Of Jimmy & Johnny" zwei Jahre später sollte das letzte Album dieser Art und auch wichtig für das Fortbestehen der Band sein, skizziert es doch bereits Ausdruck, Tempo und Charakter künftiger Werke, mit denen die Berliner ab den Neunziger Jahren zu so etwas wie dem intellektuellen Allgemeingut der deutschen Rockmusik werden sollten.
Während der Aufnahmen war von diesem Geist zunächst noch nichts zu spüren. Vielmehr umgab man sich vor lauter Unstimmigkeiten mit der Frage, wohin die Reise musikalisch überhaupt führen solle. Erstmals hatte man dazu Berlin als Aufnahmeort gewählt, nachdem man das bei den vorherigen Produktionen noch so gut es ging vermieden
hatte. Doch die legendären Hansa Studios, in denen zuvor bereits David
Bowie, Depeche Mode oder auch die Berliner Kollegen der Einstürzenden
Neubauten an wegweisenden Alben arbeiteten, schien der perfekte Ort zu sein, um
den Songideen mehr Raum für Experimente geben zu können. Ganz deutlich war dabei der Wunsch, sich neu orientieren zu wollen.
Andere Bands der Zeit hatten musikalisch längst zu Element Of Crime aufgeschlossen, die
artverwandten M. Walking On The Water zum Beispiel, die im selben Jahr
mit dem beeindruckenden Album "Pluto" zu so etwas wie Kritikerlieblingen
aufgestiegen waren. Die Band um Sven Regener hingegen schien auch auf ihrem
vierten Album noch immer in einer Findungsphase, die für den Sänger mittlerweile auch zu einer Identitätsfrage geworden war. Der Wunsch sich stärker ausdrücken zu können gipfelte auch in der Überlegung, ob man als deutsche Band mit englischen Texten überhaupt so relevant sein kann wie es mit deutschen Texten eventuell möglich wäre. Sinnigerweise war es denn auch das Lied "Der Mann Vom Gericht", der als ihr erstes deutschsprachiges Lied, den größten Eindruck auf die Musiker während der Aufnahmen hinterließ. Auch musikalisch transportiert der Song bereits eine Stimmung, die künftig für die Band ganz wesentlich sein sollte, der Titelsong schielte in dieselbe Richtung, während das kantige "Don´t You Ever Come Back" als live eingespielter One Take auch als perfekter Abgesang auf die "englischen" Jahre durchgehen kann. Solche Ausbrüche hat sich die Band künftig nicht mehr so oft zugestanden. Mit "A Ship Is Passing" und "Magic Journey" befinden sich weitere Songs dieser Gangart auf dem Album, das noch ein weiteres Merkmal der künftigen Element Of Crime gezielt auslotet; Regeners markantes Trompetenspiel, himmlisch in "Waiting For The Morning Train" oder dem mystischen "405 (And The Rest
Of Today)". Trotzdem hinterließ das Album die Band nach der Fertigstellung eher mit gemischten Gefühlen. Im Fahrtwind der Neunziger Jahre verlor "The Ballad Of Jimmy & Johnny" auch zunehmend an Bedeutung. Dass die Platte so etwas wie die Geburtsstunde für ihren Coup mit "Damals Hinterm Mond" sein sollte, lässt sich vermutlich erst im Rückblick feststellen.
Rauschen Review 136
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen